Reiseführer

Altötting – Maria hat geholfen

Eine Besonderheit des „Herzen Bayerns“ sind die zahlreichen Votivtafeln auf der Empore und an den Wänden der Gnadenkapelle. Es müssen Tausende sein! Alle zeigen die Madonna von Altötting und den Grund für das jeweils abgelegte „Gelübde“. Die Spender bleiben oft ungenannt, die Bilder sprechen für sich und Gott kennt ihre Namen! Dargestellt wird die gesamte Bandbreite menschlicher Schicksale: Krankheiten, Unfälle, Kriege und Naturkatastrophen. Diese Votivtafeln erzählen eindringlicher als Worte der Not, aber auch von tiefem Glauben, Vertrauen und erhaltener Hilfe; Jedes Bild erzählt eine Lebens- und Glaubensgeschichte – eine Einladung, mitzubeten und zu danken und anderen davon zu erzählen.

Wer Souvenirs von seiner Pilgerreise kauft, nimmt ein Stück Altötting mit nach Hause, um die Daheimgebliebenen an der Pilgerreise teilhaben zu lassen: einen Rosenkranz mit dem Bild Unserer Lieben Frau von der Gnade oder Bruder Konrad? Vielleicht Weihrauch aus Altötting oder Räucherpralinen aus der Konditorei Dengel? Die typischen Schwarzwetterkerzen sind in den Geschäften am Kapellplatz erhältlich. Schwarz ist eine ungewöhnliche Farbe für Kerzen. Sie wurden ursprünglich aus Kerzenruß und Resten geschmolzener Kerzen in der Gnadenkapelle hergestellt. Ein bekanntes Ritual aus Kindertagen: Wenn sich ein schwerer Sturm zusammenbraute, wurde eine Kerze angezündet und Gebete gesprochen, um Schäden am Haus oder Bauernhof zu verhindern und alle darin zu schützen.

Einsiedeln – Christus nah sein

Seit dem Mittelalter besuchen Pilger aus nah und fern das Kloster Einsiedeln. Der Legende nach wurde die erste Kapelle von Christus selbst im Beisein vieler Engel geweiht. Heute ist es der bedeutendste Barockbau der Schweiz. Durch den Rauch und Ruß tausender Kerzen und Öllampen, die seit Jahrhunderten in der Gnadenkapelle brennen, sind Gesicht und Hände der Madonna und des Jesuskindes schwarz. Maria trägt das segnende Jesuskind auf ihrem linken Arm. Ihr prachtvolles Kleid umhüllt Mutter und Kind und unterstreicht die einzigartige Nähe der beiden; Kein Mensch war Jesus jemals so nahe wie seine Mutter – eine Einladung an alle, die jeden Tag hierher kommen: Sei Gott nahe, werde von Ihm angenommen und geliebt.

Neben den traditionellen „Helgelis“, Karten mit Heiligenbildern, darf ein essbares Souvenir nicht fehlen. Im „Goldapfel“ werden seit Generationen die Einsiedler „Schafböcke“ gebacken: kleine Honigküchlein in Schafsform; quasi kleine Osterlämmer, die Pilger auf ihrer Pilgerreise genießen können.

Fátima – Licht und Frieden

Als die Gottesmutter den drei Hirtenkindern im Jahr 1917 erschien, tobte der Erste Weltkrieg und viele Länder, insbesondere Russland, erlebten politische Unruhen. Die Gottesmutter bat darum, den Rosenkranz „für den Frieden in der Welt und das Ende des Krieges“ zu beten.

Ein Stück der Berliner Mauer erinnert an die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands und den Fall des Eisernen Vorhangs – nicht zuletzt dank der Kraft des Gebets. Direkt daneben befindet sich die Ausstellung „Licht und Frieden: Vom Krieg zum Frieden – von der Nacht zum Tag“. Zahlreiche Geschenke zeigen die Dankbarkeit der Menschen, die hier Licht in ihrem Leben und Frieden gefunden haben. Darunter befindet sich die feierliche Krone der Madonna zusammen mit der Kugel, die Papst Johannes Paul II. bei dem Attentat 1981 schwer verletzte.

Das „Domus Pacis“ (Haus des Friedens) ist schon von weitem an seiner blauen Kuppel zu erkennen. Es beherbergte viele Jahre lang die „Madonna von Kasan“, Russlands berühmteste Ikone. Es wurde im Chaos der Russischen Revolution gestohlen, fand in Fatima ein Zuhause und wurde nach dem Zusammenbruch des Kommunismus nach Russland zurückgebracht – ein Zeichen der Rückkehr des Glaubens und des friedlichen Zusammenlebens.

Loreto – Heiligtum der Menschwerdung

Der erste internationale Marienwallfahrtsort – auch heute noch international (die Kirchenführer sind in mehr als 20 Sprachen erhältlich). Bramantes Marmorkunstwerk umschließt die schlichten Wände des „Heiligen Hauses“ wie ein kostbarer Schrein. Die lateinische Inschrift lautet: „Hier wurde die heilige Gottesmutter Maria geboren, hier wurde sie vom Engel empfangen. Hier wurde das ewige Wort Gottes Fleisch.“

Und ich denke über die Bedeutung der Anrufungen in der Litanei von Loreto nach, die nach diesem Ort benannt sind. Die Litanei ist immer aktuell als Spiegel der menschlichen Bedürfnisse und des Vertrauens in Maria, das niemals vollendet werden wird. Papst Franziskus hat kürzlich die folgenden thematischen Anrufungen hinzugefügt: „Mutter der Barmherzigkeit“, „Mutter der Hoffnung“ und „Trost der Migranten“.

Von der riesigen Basilika, die der Königin des Himmels gewidmet ist, betrete ich die Stille des schlichten Hauses von Nazareth, wo das „Wort Fleisch wurde“. Beim Verlassen fallen mir zwei tief in den Marmor gehauene Rillen rund um das heilige Haus auf: Spuren der unzähligen Pilger, die sich seit Jahrhunderten auf Knien durch das Haus bewegen – der Glaube kann selbst den härtesten Stein weich machen. Die Pilger tun dies, weil sie an die Menschwerdung Gottes durch Maria glauben und so einen Ort ihrer ganz persönlichen Inkarnation finden.

Lourdes – ein Volk vieler Nationen

Seit weit über 160 Jahren besuchen Pilger jeden Alters aus aller Welt die Erscheinungsgrotte, darunter zahlreiche kranke und behinderte Menschen. Und doch sind Freude und Hoffnung die auffälligsten Merkmale von Lourdes. Auch wenn Pilgerreisen uns eine Auszeit vom Alltag verschaffen, stellen sie keine „heile Welt“ dar. Der Glaube beseitigt nicht alle Schmerzen und Behinderungen – aber sie werden in einem ganz anderen Licht gesehen: Es ist nicht unbedingt ein Wunder, aber von großer Bedeutung, dass so viele Menschen in Lourdes auf die eine oder andere Weise Erleichterung verspüren und „ein Volk“ werden vieler Nationen".

Das Evangelium wird im Miteinander ohne soziale oder gesellschaftliche Barrieren gepredigt und gelebt. Die Pilger verstehen vielleicht nicht unbedingt die Sprache des anderen, aber oft genügt ein Blick, ein Lächeln, eine Berührung. Das sind die Wunder, die in Lourdes jeden Tag völlig unbemerkt bleiben. Im Heiligen Bezirk befindet sich eine Tafel mit dem Bild eines behinderten Mädchens mit der Aufschrift „Sie nennen mich mongoloid. Die Ärzte sprechen vom Down-Syndrom. Meine Freunde nennen mich Caroline.“

Mariazell – Die Pilgerfahrt der Völker

Alles begann mit einer Zelle, die ein Benediktinermönch abseits der Hauptstraße für „seine“ Marienstatue baute, ohne die Absicht, einen Wallfahrtsort zu schaffen. Heute führen zahlreiche nationale und internationale Pilgerwege nach Mariazell. Die Gnadenmadonna in der prachtvollen Basilika erscheint mir überraschend klein und doch so kraftvoll. Maria zeigt auf Jesus und lädt alle ein, auf ihn zu schauen und fordert uns auf: „Tu, was er dir sagt“, genau wie bei der Hochzeit zu Kana.

Mariazell ist kein Ort der großen Wunder, oder doch? Die Erinnerung geht auf die großen Dankwallfahrten zurück. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs pilgerten 1990 viele Pilger aus Ost- und Mitteleuropa nach Mariazell, 2004 folgte die Völkerwallfahrt mit dem Thema „Zeige den Menschen Europas Christus“. Der Glaube kann Grenzen überwinden!

Wie bei allen Wallfahrtsorten werden auch in Mariazell Körper und Seele zusammengehalten. Lebkuchen, ein Klassiker der Wallfahrtsspeise, gibt es bei Pirker das ganze Jahr über. Es ist lange haltbar und gut für den Magen. Schön dekoriert sind Lebkuchen auch ein schönes Mitbringsel!

Tschenstochau – Die verwundete Madonna

Der Evangelist Lukas soll das Bild auf einen Tisch im Haus von Nazareth gemalt haben. Die Narben auf ihrer rechten Wange wurden von einem Soldaten zugefügt und machen die Ikone einzigartig. Auf verschlungenen Wegen gelangte es nach Polen, und immer wieder wandten sich Menschen hilfesuchend an „ihre“ Madonna. Sogar der staatlich verordnete Atheismus in den Tagen des Kommunismus wurde machtlos gemacht.

Es ist ein besonderer Moment, wenn das Bild Unserer Lieben Frau von Tschenstochau am frühen Morgen oder zu bestimmten Tageszeiten feierlich unter Fanfarenklängen enthüllt wird. Die Menschen knien nieder, es herrscht andächtiges Schweigen. Da fällt mir das Pilgerlied von Tschenstochau ein:

„Ich kenne einen Ort auf der Erde, zu dem jeder gerne pilgert. Die Mutter unseres Herrn erwartet uns dort mit all ihrer Güte. Obwohl Ihr Gesicht verletzt ist, sind Ihre Augen sanft. Siehe.“ ! Wir betrachten Ihr Bild im Glauben.“ Und besonders in der heutigen Zeit: „Wie oft haben sich unser Volk und unser Land in Not dir geweiht. Hilf, o Mutter, schenke uns Frieden in diesen unruhigen Zeiten ...“

Besuche von Marienheiligtümern zeigen uns, dass unsere spirituelle Reise niemals abgeschlossen sein wird. Der Glaube wird immer wieder und in jeder Lebensphase zur Realität, insbesondere durch Erfahrungen und Begegnungen mit anderen. Jeder wird Teil der Geschichte und schreibt sie weiter...

 

Text von Dr. Irmgard Jehle, seit 1973 Reiseleiterin beim Bayerischen Pilgerbüro, dem ältesten und renommiertesten Anbieter christlicher Glaubensreisen in Deutschland, hat alle Heiligtümer Europas mehrfach besucht. Getreu ihrem Lebensmotto „Die Reise beginnt vor der eigenen Haustür“ ist sie Expertin für Pilgerreisen, kennt jedes einzelne Land und seine Leute, seine Geschichte und Kultur und hat aus zahlreichen Reisen die eine oder andere Anekdote zu erzählen.

 

Wir verwenden Cookies, um sicherzustellen, dass wir Ihnen das beste Erlebnis auf unserer Website bieten. Wenn Sie diese Website weiterhin nutzen, gehen wir davon aus, dass Sie damit zufrieden sind